Bilanz: 83 km
Die Brücke von Remagen, von der seit 1945 nur noch die Brückenpfeiler auf beiden Seiten stehen, hieß eigentlich "Ludendorf-Brücke" und wurde am Ende des 1.Weltkriegs, noch 1918 beauftragt. Meine Reise macht einmal mehr Station in der Vergangenheit.
Tatsächlich war die Ludenforf-Brücke ein Schwesterbau der Hindenburg-Brücke, deren Überreste vor Bingen zu besichtigen sind. Denkwürdig, dass die Brücken dieser beiden Namensgeber dieses Ende gefunden haben...
Natürlich schlägt die große Stunde der Ludendorfbrücke erst 1945: wer ausführliche Infos mag: Wikipedia
Der Durchbruch der Amerikaner am Rhein: damit war der deutsche Rheinmythos nationalistischer Prägung nachhaltig zerstört. Kein Ludendorff, kein Hindenburg als Namenspatron, kein Wilhelm und kein Siegfried oder welche Gestslten auch immer konnten verhindern, was der Nationalsozialismus und der alte Militarismus angerichtet haben. Die tapferen amerikanischen Soldaten kamen im März hier in Remsgen trockenen Fußes auf die andere Rheinseite, das Ende war nah. Es gibt Filmmaterial davon, das mich beim Ansehen hier vor Ort sehr berührt hat.
Wer weiß was hätte anders laufen können, wenn schon 1918 allierte Truppen mit ihren Armeen den Rhein überquert hätten?
Diese Erfahrung veränderte zumindest hier dann alles.
Heute ist hier ein Museum des Friedens eingerichtet, aber schon der Ort allein , die Plaketten der ametikanischen Divisions wirken stark.
1784 war der höchste Pegelstand der in Andernach gemessen wurde, aber auch in anderen Jahren war das Hochwasser verheerend gewesen: das Kollektive Gedächtnis an Katastrophen findet so seinen Ausdruck in den meisten Stadtmauern,Häfen oder Pegel Stationen hier im Rheintal.
Ich muss spontan an die letzte Sendung bei Lanz denken als Metereologen und Politiker darüber diskutiert haben warum die Menschen auf die Ankündigung des aktuellen Hochwassers so spät beziehungsweise zu spät reagiert haben. Eine These die immer wieder auftrat war dass das Kollektive Gedächtnis an Naturkatastrophen nicht mehr als 3 Generationen überdauert. Überzeugend war dann dagegen allerdings die Feststellung, dass das aktuelle Hochwasser die zweihundertjährige Hochwassermarke deutlich übertroffen hatte und somit eine adäquate Vorbereitung kaum möglich gewesen wäre.
Ob hier am Rhein auch jemand an 1784 denken würde wenn das nächste Mal StarkRegen angekündigt ist ...oder sogar noch mehr? Man darf es bezweifeln...
Der RheinRadweg ist aktuell an der Ahrmündung gesperrt: "Lebensgefahr" steht an der Absperrung. Eine ältere Dame mit Akkubike ließ sich davon nicht abhalten und teilte mir mit, sie wolle sich das jetzt einmal ansehen...
Da es mir mehr um die Überquerung ging, musste ich wohl oder übel über Sinzig fahren, einen Ort, der in den Nachrichten oft genannt worden war.
Ich schraubte instinktiv meine Actioncam von der Lenkergabel und hätre mich am luebsten unsichtbar gemacht: jetzt als Tourist durch das Elend radeln...ich fühlte mich unwohl, aber ich musste irgendwie nach Remagen kommen....
Schon auf dem Feldweg sah ich im Flussbett due Verwüstung, mitgerissene Gegenstände, getürmt zu Schuttbergen, Bänke, eine zerschundene Fußgängerholzbrücke die querbeet lag. Schlammberge auf den Feldern, umgeknickte Bäume.....
Im Ort angekommen konnte ich auch das Navi vergessen, denn die Route die vermeintlich passte bestand aus gesperrten Straßen, in denen Bagger kurvten, Menschen aufräumten oder am Rand in Notfall-Räumen standen. Überall Katastrophenteams aus den Ländern, Hamgeschriebene Wegweiser zu Schuttablafeplätzen am Ortsrand....
Ich fragte also zwei Polizisten, die mir einen Weg weisen konnten. Schließlich war eine Brücke für Fußgänger und RADFAHRER freigegeben....
Die wilde Zerstörung und der ganze Unrat, die teilweise weggerissenen oder durch das Wasser wie ausgebombt wirkenden Häuser bedrücken, erschüttern....wie fängt man jetzt neu an?
Ich fahre still immer geradeaus, bis der Ort wieder halbwegs normal wirkt, hinaus auf die Landstraße nach Remagen. Ich denke mir: hier hat kein kollektives Gedächtnis versagt: hier hat die Natur neue Maßstäbe gesetzt und unsere Hilflosigkeit ist einmal mehr offenbar. Tragisch sind vor allem aber die vielen Toten! Requiem.
Ich fahre ja wie gesagt mit einer historischen Brille durchs Rheintal: auf den Spuren von Nationalismus, Militarismus, Imperialismus des 19.+20 Jh.- hier am Rhein kann man Entsrehung, Blüte und Folgen recht gut - quasi im Vorbeifahren- rekapitulieren. So auch in Andernach. Das Bollwerk am Rhein war ursprünglich eine Zollburg. Interessant wird es dann als 1928-30 der Ortsverein die Errichtung eines Gefallenen-Denkmals symbolträchtig auf der Bastion durchsetzt. In diesen Jahren endet die Bestzung des Rheinlandes durch die Franzosen.
Das erklärt dann die Inschrift über dem Portal:
" UNSEREN GEFALLENEN HELDEN ZUR EHRE- SIE STARBEN DAMIT DER RHEIN DEUTSCH BLEIBT"
Und Gipfel der Symbolik: auf der Rheinsseite des Bollwerks mahnt eine Siegfriedsfigur den Vorbeigehenden: "SEID EINIG" - Ich erinnere mich an die Worte Wilhelms am Deutschen Eck , 5 Jahrzehnte zuvor... Der Revanchismus, der hier offen ausbrach ließ die alte Fackel am Rhein schnell entflammen und machte es den Nazis leicht, dieses Feld zu besetzen.
Andernach
Ich war noch nie hier und bin ganz entzückt von den fantastisch erhaltenen Stadtmauerm und der erhabenen Burgruine. Das Flair dieser Kleinstadt hat etwas sympathisches. EtwasxSchmunzeln musste ich über die Geschichte, dass die Andernacher zweimal die Burg eroberten sodass LurkölnischecTruppen kommen mussten um die Burgherren wieder in Recht und Herrschaft zu setzen. So eine Wasserburg hat Schwachstellen...
Man kann entlang der schönen Stadttürme die Altstadt umrunden, am Westturm habe ich dann sogar einen Trinkwassefbrunnen entdeckt: als Radfahrer ein besonderes Highlight um die Tankvorräte zu füllen.
Überflutete Rheinauen sind hier selten, umso schöner dass es hier bei Kaltenengers viel Platz für Hochwasser undxEnten, Gänse und Schwäne gibt. Es ist voll auf den Flutwiesen.
Auf der anderen Seite grüßt Schloss Engers: edel, elegant, elitär. Engers.
So kann ein Tag beginnen.....herrlicher Ausblick mit Frühstück über Koblenz. Die DJH ist ein echter Radler-Traum: zwei Aufzüge für die Weicheier ;-) und eine beeindruckende Festung gleich dabei. Ich habe natürlich eine Rundfahrt über das Festungsterrain gemacht und bin auf das Denkmal für die gefallenen Soldaten der Weltkriege gestoßen.
Die Festung ist riesenhaft, heute als Kulturort erschlossen, atmet aber noch heftig Bollwerk-Charakter. 1801 von den Franzosen erobert, wollten es die Preußen dann wissen: hier entstand bis 1914 das damals größte Abwehr-Monument. Im 19.Jh. lebten in Koblenz etwa 10000 Soldaten , es war die militärische Hauptstadt des Reiches.
Ich habe dann den BuGa-Lift über den Rhein genommen: muss man mal gemacht haben....
Um schließlich am Deutschen Eck zu stehen, begrüßt von Willi I.
"NIMMER WIRD DAS REICH VERGEHEN WENN IHR EINIG SEID UND TREU "
Der Mythos der Deutschen Einheit von 1870/71- hier ist er in Stein gemeißelt.
Weiter flussabwärts werde ich später diese beschwörenden Worte wieder lesen. Ein Leser des 21.Jh. muss denken: dann waren sie wohl - wenn der alte Mann hoch zu Ross recht hatte- entweder nicht einig oder nicht treu. Oder beides.(...) Die Folgen dieses Nationalismus schaue ich mir nächste Woche in Frankreich und Flandern an.
Koblenz ist immer für einen Bummel gut, so schlendere ich noch durch die Altstadt bevor ich dem Rhein weiter folge...
Kommentar schreiben