Etappe 8: METZ- SCHENGEN
Ich bin gestern gg.18 Uhr in Metz angekommen, der Hauptstadt Lothringens, nun des Departements Moselle, das ich seit gestern durchquere. Lothringen wurde 2016 abgelöst durch die größere Region "Grand Est", ein völlig nichtssagender Verwaltungsbegriff, der Jahrhunderte alte Tradition überkleistert wie Kechup... "Die spinnen, die Franzosen....." würde Obelix dazu sagen..
Metz hat etwa 120000 Einwohner und ist ein Schlüsselort deutsch-französischer Geschichte seit dem Mittelalter.
Ich konnte gestern Abend bereits einen sehr atmosphärischen Stadtbummel durch die Innenstadt machen: prächtig, hell erleuchtet, typisch französisch die Repräsentativbauten und dann die einzigartige Kathedrale!! Ich möchte heute die Chagall-Fenster in der "Laterne Gottes" ansehen. Nach St.Stephan in Mainz und NotreDame de Reims hat er auch hier bedeutende Fenster gestaltet, in St.Etienne (was übrigens ebenfalks St.Stephan meint).
Metz à Nuit
Chagall
Über die Geschichte der Kathedrale habe ich auch einiges lernen können.
Ich bestaunte ja gestern abend die beeindruckenden Portale mit den unzähligen Figuren...Beeindruckt bin ich weiterhin nun davon, vor allem wie stilgetreu diese nämlich erst um 1900 (!) vom deutschen Dombaumeister und dem Französischen Steinmetz geschaffen wurden.... Die Kathedrale hatte Ende der 1870er Jahre einen verheerenden Brand, in dessen Folge zahlreiche Reparaturen notwendig waren. Das heutige
Erscheinungsbild ist nicht unwesentlich von diesen Erweiterungen geprägt, etwa das große Portal, das wie eine riesige Palastempore aufxden Platz schaut: hier ist in der Mauer auch der Anspruch Wilhelms als Herrscher in latein
gelassen. Wilhelm II. war wie versessen in seiner historisierenden Darstellung sich als Nachfolger der römisch,deutschen Herrscher in die mittelalterliche Linie zu schreiben/bauen. Sie die Hochkönigsburg im Elsass...
Eine Anekdote zu einem Detail fand ich großartig: Man ließ eine König David-Statue bewusst mit dem Gesicht Wilhelms anfertigen. Bekanntermaßen endete due Herrschaft Wilhelms und Deutschlands 1918, in der Folge hing mal in Metz dieser Statue ein Schild um mitcdem Satz "sic transit gloria mundi" ("so vegeht der Welt Ruhm") - Großartiger Kommentar!
Die Geschichte geht aber noch weiter: nachdem Nazi-Deutschland 1940 auch Lothringen wieder in seiben Besitz gebracht hatte, entfernten die Besatzer selbst den kaiserlichen Schnurrbart von der Davidsstatue. Der Grund: kein deutscher Herrscher durfte als jüdischer König dargestellt werden....
So hatten sich die Deutschen gleich zweimal in 50 Jahren an der Kathedralen-Statue zu Metz als größenwahnsinnig und rassistisch vergangen. Und das, obwohl ihnen doch selbst für die Erweiterung der Figuren auch der Verdienst zusteht.
Bossuet als alter Bekannter /Theoretiker des Absolutismus aus dem Geschichtsunterricht kommt hier auch zu Ehren, da ein bedeutender Teil seiner Karriere in Lothringen stattgefunden hat.
Ich bin nun an so mancher stillgelegten Fabrik und Förderanlage vorübergefahren: Lothringens alte Zeiten sind überall noch wahrzunehmen, aber wo ist die Zukunft? Ich lese da bei Wikipedia:
"Schwerpunkt der Wirtschaft ist der Dienstleistungssektor, gefolgt von der Industrie. Die Montanindustrie hat ihre frühere Bedeutung verloren. Vor allem im Gebiet um Thionville und Hayange hat dieser Strukturwandel der letzten Jahrzehnte weg von Stahl und das Verschwinden der Lothringer Bergwerke zu einer hohen Arbeitslosigkeit geführt, die bisher nicht durch Ansiedlung neuer Branchen ausgeglichen werden konnte. Daher ist die Region, die einst ein industrielles Zentrum war, zu einer der wirtschaftlich schwächsten und ärmsten Frankreichs geworden"
(WIKIPEDIA-Artikel 'Lothringen')
In der Tat habe ich auf meiner Tour einen gravierenden Unterschied zwischen dem Elsass und den Departements Meurthe&Moselle und Moselle feststellen können...und das ganz oberflächlich im Vorbeifahren.
Die Infrastruktur in den Dörfern, Lost places, weniger grüne Erneuerungen, generell viel veraltete Architektur.
Wenn ich morgen ins Saarland fahre komme ich an der Völklinger Hütte vorbei. Die Regilnen haben eine ähnliche Strukturgeschichte. I h bin gespannt, was ich davon dort sehen kann.
In Frankreich schaut man Kopf schüttelnd auf den Atomausstieg Deutschlands dieser Tage. Hier dampfen die Brüter und köcheln die Brennstäbe...
Mal sehen wer da in 50 Jahren rückwirkend den richtigen Weg beschritten haben wird. Die französischen Reaktoren bleiben allerdings genauso unser Problem ....
Ich hatte mir heute ja Hoffnungen gemacht dass das Wetter etwas aufklart: Nachdem ich gestern bei ziemlich frischen 10 °C losgefahren war und überwiegend Gegenwind hatte, sah die Wettervorhersage für heute eigentlich freundlicher aus, zumindest für den Nachmittag war verhalten Sonne und weniger Wolken angekündigt: das hat sich dann aber immer weiter nach hinten verschoben und stattdessen blieb es den ganzen Tag bewölkt! Außerdem bescherte mir das Wetter eine Regenschauer vor Thionville und ich bin ungelogen 70 km bei vollem Gegenwind die Moselle hinab gefahren. Fühlte sich eher wie Steigung an.
Aber nun genug gejammert: So schlimm wars garnicht: April ist April!
Heute und hier verlasse ich den französischen Mosel-Radweg, der mich aus den Vogesen beo Bussang über Remiremont, Epinal, Toul und Metz bis hier ans Dreiländer-Eck geführt hat. Ich lasse die Mosel freudig ziehen und kenne ja ihr wundervolles Tal, das sie jetzt bis Koblenz durchfließt. So viele herrliche Orte, an die ich mich erinnere: z.B. auf dem deutschen Moselradweg mit Meike 2019, aber auch letztes Jahr, als ich den Kyllradweg von Belgien bis zur Mündung bei Trier gefahren bin, Koblenz und das deutsche Eck habe ich 2021 auf dem RheinRadweg passiert
Ich wechsele noch einmal das Ufer nach Luxembourg um den EuropaOrt Schengen zu besuchen. Das "Schengen-Abkommen" darf als Vermächtnis eines grenzenlosen Europas gewertet werden, wenn wir auch durch die Pandemie die Schwächen deutlich gespürt haben...
Ich bin nun schon über manche Schengen-Grenze geradelt und freue mich jedes Mal wieder neu daran! Hoffentlich vergessen wir nie, was wir da für ein historisches Glück haben!!
Wo bin ich jetzt?
Kurz gesagt: ich bin in die Pampa abgebogen. Über den Hügel in ein stilles Tal , vorüber an einem Bach und 5 Quellen, die über den Weg geplätschert sind...Die meisten Höhenmeter des Tages habe ich hier gelassen...
Eine Idylle, wie ich sie das letzte Mal in den Vogesen erlebt habe als die Bäche noch klein waren...
Hier habe ich eine Gîte in einem alten Dorf-Café und werde es mir nach dem rauchen Wind gemütlich machen.
Morgen möchte ich früh aufbrechen, da viele km auf dem Plan stehen u d wieder deutlich mehr Höhenmeter...
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