Montag,05.08.24
In der Kathedrale
ZURÜCK AUF DEN WEG
Der Camino führt genau genommen durch fast ganz Kastilien&Leon über diese Hochebene, das war mir nicht ganz klar. Vorteil daran ist dass es auch einmal ohne viel Steigungen vorwärts geht (dss kommt später wieder...). Das Fußpilgern durch die Meseta ist ne Nummer härter als mit dem Rad: viel länger ohne Devkung und Schatten. Die Getränke müssen gut rationiert sein. ...Das Prinzip ist ansonsten ganz einfach: du siehst Wege bis zum Horizont und die Monotonie greift nach dir. Wonach greifst du? Gedanken, Musik, Gebet, Mantra,....oder in Begleitung natürlich das Gespräch. Ich gestehe an dieser Stelle einmal, was sicher einige von sich kennen: ich unterhalte mich laut mit mir, bzw.in anderen Formaten verarbeite ich meine Gedanken für imaginäre Gespräche. Das ist dann nicht weit von einem Gebets-Talk entfernt. Ein hashtag meiner Reise lautet ja #roadtripmitjesus , so fühlt sich das dann an.
Tatsächlich häufiger auf dem Rad als in einer der Kapellen und Kirchen, so schön sie auch seien. Erstens sind sie mitunter zu laut, touristisch oder ich habe meine ästhetisch-theologischen Probleme (s.o.) .....
Hier in der Meseta, wo du stundenlang gefühlt dem gleichen Weg folgst, öffnet sich der ein oder andere Raum.
Und wer weiß schon so genau, was da in mir spricht wenn die Stille um mich herum wütet.....
Heute und hier fühle ich mich wie der einzige Pilger auf dem Weg. Dee Hitze nimmt immer noch zu und ich steuere auf dem Weg durch diese endlose Ebene mit ihren goldenen abgeernteten Feldern fast willenlos vorwärts, gelegentlich aufwärts. Ich halte Ausschau und sehe doch kein Ziel. Mein Navi ist wie eine gelassene Stimme in dieser Weite, die spricht "ich weiß den Weg, du bist auf dem richtigen Weg, vor uns kommt eine Kurve, dann eine Steigung......"
Währenddessen komme ich an einer weiteren Gedenkstelle vorüber - mitten im Nirgendwo ist ein Kreuz aufgerichtet, Zettel und Steine sind abgelegt worden....wie eine kleine spirituelle Oase. Ich halte, lese, fühle...ich verstehe, warum genau so ein Ort richtig sein kann für Worte der Verzweiflung, aber auch Worte des Abschieds, der Zuversicht. Wie in der Wüste,....mir fallen spontan Berichte aus dem AT ein, Szenen und Begegnungen mit Gott, die in der Wüste, fernab der Orte stattfanden. Hier wo du nichts hast, was dich ablenkt, nichts, was du aufsuchen kannst....etwa so wie auf hoher See, oder auf einem Berggipfel.
Nach ein paar Minuten steige ich wieder auf Hannibal und fahre weiter, der Ort klingt noch eine Weile in mir nach.
Hontanas erreiche ich während der Siesta, der Ort ist still und die Hitze brutzelt auf den Gassen. Das schöne Örtchen empfängt den Pilger mit vielen gelben Pfeilen und Infotafeln, entlang der Calle mayor haben Restaurants geöffnet, ich steuere die Kirche an, die einen kleinen Vorplatz hat mit Bank. Aus der Kirchentür tönt Musik...ich sattele ab und trete ein,
Eine Kirche ohne Pomp und Prunk, die in einer Ecke einen Stille-Bereich zum Gebet gekennzeichnet hat: ich betrete ihn, setze mich und schaue die Ikonen an, einige orthodox, was untypisch ist, an der Wand ein großes Plakat mit bekannten Persönlichkeiten des 20./21.Jhs. wie Martin Luther King, Mutter Theresa, Ghandi..... Zwei weitere Personen sitzen hier, lesen, schweigen.
Ich bin dankbar für den kühlen Raum, die leise Musik (eine Art Taizè auf spanisch) und die Ruhe. Nach der Fahrt durch die Schweigsame Hitze atme ich auf und komme zu einer anderen Ruhe.
Am Ausgang finde ich einen Stempel und verlasse die Kirche von Hontanas....gestärkt, ja so würde ich es sagen. Danke!
Kurz vor meinem Tagesziel Castrojeriz treffe ich auf die Ruine eines Konvents der Antoniter, eines Ordens, der hier im Mittelalter bis in die Neuzeit aktiv war. Ich lese:
"Es gehörte einer Mönchsgemeinschaft des Ordens von San Antón, einer Kongregation afrikanischen Ursprungs im vierzehnten Jahrhundert, die kranken Pilgern half. Die Antoniner trugen einen griechischen Buchstaben Tau auf ihren Gewändern, ein Zeichen, das in mehreren Eschen der Gebäude und in der Rosette der Kirche zu sehen ist. Obwohl sich die Antoniner hier im Jahr 1146 niederließen, ist der Tempel, den wir sehen, später, aus dem vierzehnten Jahrhundert. Sie blieb bis 1787 aktiv, als Pius VI. diese Bruderschaft mit der von Malta fusionierte. Es war ein großes Gebäude mit drei Schiffen und drei Apsiden. Am besten erhalten ist die zweistöckige zentrale Apsis mit Fenstern und der Westfassade im gotischen Stil mit einer Tür aus geschnitzten Archivolten und einer großen Rosette. Dieses Kloster stand unter königlicher Schirmherrschaft, wie die Anwesenheit königlicher Schilde auf dem Portikus der Kirche und auf den Schlüsseln der Gewölbe beweist."
Das Tau-Symbol ist mir von Franziskus und Taizè vertraut, auf dem Camino hatte ich es zuvor noch nicht angetroffen. Es in den Steinen dieser bewegenden Ruine zu erblicken macht fast wehmütig. Hier war ein Ort der Hilfe und Andacht, das Bauwerk hat erstaunliches überdauert und wird nun immerhin noch mit einer (sehr rustikalen) Pilgerherberge an ihre Ursprünge angebunden.
Ich schlendere durch den ehemaligen Kirchenraum, blicke hoch zu den erhabenen (Rest)-Wänden mit den Fensteröffnungen, Kapitelen,....
Spuren einer bemerkenswerten Vergangenheit....bemerkenswert heute ist aber auch das Portal: die Landstraße wurde direkt vor dem Portal und damit unter dem Vordach der Abtei entlang geführt.... Ich fahre ein paar Meter weiter und lasse mein Drohne starten um die Ruine zu überfliegen: Gänsehaut, das ist hier eine wirkliche Idylle!!
Ich hatte die Etappe für den heutigen Tag ja bewusst etwas kürzer gehalten und das war klug so: die längere Besichtigungszeit in Burgos und die Hitze in der Meseta fordern ihre Zeit und Kraft und ich habe das Gefühl für heute unheimlich viele Eindrücke verarbeiten zu müssen. In Castrojeriz, meinen Tagesziel, angekommen, finde ich schnell den Weg zu meiner Pension, die sich als sehr gemütlich und freundlich herausstellt. Ich bekomme ein kühles Doppelzimmer, kann direkt duschen und lasse mich erstmal aufs Bett fallen. Wundervoll!
Der Ort ist um einen Kegelberg herum gebaut, auf dem ein altes römisches Castrum thront, das zuvor sicher eine keltische und später eine westgotische Festung war. Heute steht weithin sichtbar die Ruine der Burg und der Ort schmiegt sich unterhalb rings um den Berg.
Für 20 Uhr bekomme ich sogar in der Pension noch ein Abendessen zubereitet, das ich mit 4 anderern Gästen einnehme. Wie es sich herausstellt, alles (Süd)Koreaner, ein Pärchen aus Paris und zwei Freundinnen aus Korea. Die vier feiern quasi eine Party, dass sie sich als Koreaner getroffen haben und ich genieße erstmal still mein Abendessen, einen köstlichen Salat und Hühnchen mit Reis.
Im Laufe des Essens spricht mich dann aber der Koreaner, ca. 28 Jahre alt an und erkundigt sich auf Englisch nach meinem Weg. Es macht ihm sichtlich Freude sich auf Englisch auszutauschen, was seinen 3 Begleiterinnen etwas schwerer fällt. Sie sind zu Fuß unterwegs ohne eine spezifische Motivation, dann spricht er mich aber darauf an, dass ich verheiratet sei (Ring) und dass er mit seiner Freundin in diesem Urlaub gespannt sei, wie sie mit der Herausforderung und Nähe zurecht kämen......Er schien sich ein wenig Sorgen zu machen und für sich zu testen, wie er mit Bindung umgehen könne. Von dieser Thematik bekam seine Freundin währenddessen offenbar garnichts mit und sprach mit den beiden anderen.....
Also eine Art Männergespräch inmitten eines koreanischen Klatschtalks der 3 Damen. Ich ließ mich darauf ein, da er sehr vertrauensselig und offen wirkte.
Es stellte sich heraus, dass sie noch nicht verlobt sind, er aber darüber nachdenkt. Er eehoffte, sich von mir ein paar Argumente für die feste Partnerschaft, womit ich ihm gern diente. Dann nahm das Gespräch der Damen eine Wendung und sie wollten wissen, ob ich schon lange verheiratet sei und Kinder habe. Als ich Letzteres bejahte wurde es ganz still im Raum eine Art ehrfurchtsvolle Neugier....
Der Umstand, dass ich einen 20 jähirgen Sohn und eine 18jährige Tochter habe versetzte alle am Tisch in ungläubiges Staunen......
wie alt ich denn dann sei, wurde ich gefragt und ich machte mir den Spaß sie raten zu lassen ......Als sie es raus hatten wurde mir attestiert, viel jünger auszusehen. Der Koreanische noch.-Junggeselle war von 35 ausgegangen.! Ich dankte für die Blumen und machte mich über das Dessert, Vanillecreme, her......schmeichelhaft......und das zwei Tage nachdem mir mein Garmin eine Neueisnchätzung meinen "Fitnessalters" präsentierte (6 Monate runter...hurra).
Fazit des Tages: der Camino macht jung!
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