Dienstag, 07.08.24
Mit Blick auf den Wetterbericht, stehe ich um 6.15h auf, packe und starte nach dem Frühstück auf die heutige Tour durch die Meseta nach Sahagun. Mehr km wären möglich, aber ich ahne, dass ich mir etwas Ruhe gönnen muss, damit ich nicht ganz pausieren muss. Die Hitze zehrt und bis man einen regenerativen Schlaf findet, sollte es noch etwas Entspannung geben. Also sollten 80 km für heute genügen. Und früh gestartet ist halb angekommen;-)
Wenn man früh an den üppigen Sonnenblumenfeldern vorüberfährt, dann wird man Zeuge des Wasserballetts. Nacheinander gehen die Sprühanlagen an und bedecken das lechzende Grün mit Feuchtigkeit.Die Sonne beginnt ihren Lauf, blickt schon milde herunter und so entstehen dutzende temporäre Miniregenbögen....von dem Rauschen ganz zu schweigen wirklich ein Erlebnis als Vorübergehender...
Wo kommt all das Wasser her?
Durch die Meseta führt der Kanal de Castillia nicht Schiffbar, aber randvoll und mit vielen Abzweigen verteilt sich das lebenspendende Element in ein ganzes Kanalsystem, das um die Felder herum und hindurch geleitet wird. Im Grunde ein althergebrachtes Verfahren bei dem sicher auch viel verdunstet aber woher der große Kanal sein Wasser bekommt, müsste ich mal nachsehen....
Fromista
San Martin de Fromista ist Weltkulturerbe: diese romanische Kirche aus dem 11.Jh. ist dermaßen gründlich restauriert worden, dass ich kaum ein "reineres" romanisches Bauwerk kenne.Die Kirche steht frei fast wie auf einem Podest, kann komplett umrundet werden und das lohnt sich schon wegen der unheimlich kreativen und faszinierenden Gestalten, die in 2, teilweise 3 Friesen um das Bauwerk läuft, teilweise übereinander. I h habe die Figuren, Tiere, Dämonen gelesen wie ein Comic: sensationell!! Und drinnen (man zahlt ein paar Euro Eintritt) geht das Staunen weiter: romanische Perfektion....
Ich gebe zu, dass Mi h die Gotik, etwa wie in Burgos, immer wieder begeistert, beeindruckt, aber Romanik wie hier in Fromista hat etwas ganz tief spirituelles, das sich unmittelbar ausdrückt. Keine prachtvollen Kapellen, kein Hichaltar aus Gold, keine ausufernden Verzierungen. Symmetrie und ganz klare Bögen eine Kreuzdarstellu gvam Akrar und an den Säulen Szenen, die "sprechen", zugegebenermaßen in einem Code, den wir heute nicht mehr unmittelbar verstehen, aber dennoch:stark gebündelt Darstellungen...Ich verbringe sicher 1 Std hier in Fromista, ausschließlich an/in der Kirche, wo ich auch den Sello erhalte.
Die Kirche ist dem Hl.Martin von Tours geweiht und gehört zu den Cluniazenser-Klöstern (siehe mein Besuch in Cluny auf der Hinfahrt!).
Ich genieße es auf dem Camino solche menschengemachte Schönheit aufzubauen , gleich nach der Schönheit der Schöpfung, das geht hier Hand in Hand......
Erneut erstaunliche und vielfältige Skulpturen-Geschichten an einer der ältesten Stadtkirchen in Carrion
Das Portal dieser Kirche ist sensationell kunstvoll. Ich stehe davor und "lese" die Figuren, mittlerweile ist dieses Gebäude ein Museum, an dem die Calle mayor entlang führt. Die Steinmetze und Bilhauer des 12.Jhs., die hier wie in Fromista gewirkt haben, waren Meister ihrer Zunft. Selten sind die Figuren so gut erhalten und restauriert: heute ist wieder so ein Tag, wo ich die Romanik verehre, die ja auch am Rhein wundervolle Zeugnisse hinterlassen hat. Selten so rein von der Geschichte belassen wie hier.
Meine Albergue in Sahagun ist ein Hostal über einem Restaurant. Genau eine Frau spricht hier englisch, und mit der ging dann nach anfänglichen Stottern alles ganz unkompliziert: Hannibal bekam einen Kellerraum und ich konnte relativ früh auf mein Zimmer.
Wie immer war die Dusche das Highlight: unfassbar wie wundervoll eine kühle Dusche ist, ich freue mich jeden Tag auf diesen Moment....
Nun bin ich auch recht zügig gefahren, was in der Meseta noch gelingen mag, und da stellten sich 83 km bei 450 hM als recht locker dar.. Nach der gestrigen etwas kurzen Nacht ergreife ich also die Gelegenheit und mache ein herrliches Nickerchen zur besten Siesta-Zeit : fühle mich schon etwas wie ein Spanier.......
Als ich durchaus erfrischt erwache, bleibt noch Zeit, die Stadt zu erkunden und ein paar Hygiene-Artikel zu shoppen.
Das Schlendern durch den Ort tut gut: es ist abend und die Leute sitzen draußen in den Bars und Restaurants. Es ist durchaus laut auf den Plätzen, in den Calles ist es still, man findet den Weg also durch die Geräuschkulisse. An einigen der Kirchen kann man einen maurischen Einfluss erkennen, der hier in Sahagun nachweislich stattgefunden hat. Die Region war bis ins 10.Jh. Kampfschauplatz und Begegnungsort der Kulturen bis sich die christlichen Königreiche endgültig gefestigt hatten (diese bekriegten sich auch nocjh untereinander....).
Den Abend nutze ich zum Waschen meiner Klamotten und hänge sie in Dusche und am Fenster aus,....ein wenig Campingfeeling, dann greife ich zur Ukulele und musiziere ein wenig. Das war eine gute Entscheidung die kleine Klampfe mitzunehmen: sie hält sich wacker in der Hitze und hat mir schon manch andächtigen Moment begleitet. Heute abend muss ich nochmal den Bb-Dur Griff üben, der kratzt immer in "wayfaring stranger".....und die Harmonien im B-Teil von "Befiehl du deine Wege" passe ich meinen beschränkten Fähigkeiten an, sozusagen didaktische Selbstreduktion......
Und so sitze ich auf meinem Bett, blicke draußen auf die angehenden Lichter der Kirchenbestrahlung und sinne ein wenig über die zweite Hälfte meiner Pilgerreise nach....nochmal 400 km, was mag da alles auf mich warten.....bleibe ich pannenfrei und gesund? Es gibt bis hierher wirklich schon viel Grund zum Danke sagen......
Vierte Strophe, ich singe:
"Weg hast du allerwegen,
an Mitteln fehlt dir’s nicht;
dein Tun ist lauter Segen,
dein Gang ist lauter Licht.
Dein Werk kann niemand hindern,
dein Arbeit darf nicht ruhn,
wenn du, was deinen Kindern
ersprießlich ist, willst tun."
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