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Etappe 9: Auf das Dach des Camino

Donnerstag, 08.08.24

Zum Cruz de Ferro
Zum Cruz de Ferro

Astorga
Astorga

Ich habe erstaunlich gut geschlafen wenn man davon absieht, dass heute Nacht 2 Hunde um die Wette gebellt haben und das sicher noch nach 2 Uhr. Ich hatte aber vorher gut gespeist, mich ein wenig ausgeruht und beim Lesen und vorbereiten des nächsten Tages bin ich dann auch bald schon eingedöst. 

Beim Frühstück heute morgen ist dann eine etwas lustige Situation entstanden: Zum einen dachte ich, dass ich früh bin wenn ich um 7 Uhr Frühstücke,musste aber feststellen, dass an der Bar bereits über 10 putzmuntere Spanier standen und lauthals miteinander sprachen,  unter anderem über eine Schlagzeile des Tages: die Rückkehr von Pujdemont.  

Ich stellte mich also dazu und fing an mir ein Frühstück zu bestellen. Nach der Bestellung schaut mich der Wirt etwas verwundert an und fragte: "das alles"? "Si Senor, long day on bicicleta...."

Das breite grinsen was ich dafür erntete hätte ich liebend gern fotografiert.... jedenfalls war sofort das Eis gebrochen und ich bekam ein wunderbares schinken-sandwich und eine Waffel mit Orangensaft. Heute brauch ich gut Knackes....

Cathedrale von Astorga
Cathedrale von Astorga

Ecke Homo Kapelle
Ecke Homo Kapelle

Früh morgens war in Astorga noch kein Stempel zu ergattern, ich schlenderte durch die schöne Stadt und erst am Ausgang machte ich zwei Stops:

Zuerst hielt ich bei einer einrichtung der franziskaner an der Pforte empfing mich eine wirklich recht betagte Nonne in schwarzem Gewand. Als ich sie fragte ob es einen Stempel für Pilger gebe schaute sie mich erst etwas ratlos an. Dann wiederholte ich das Wort Stempel und es ging ihr ein Licht auf: sie wackelte in die Ecke und holte aus einer Schublade tatsächlich eine Tüte mit Stempel und stempelkissen heraus.

Ich öffnete mein Credencial und mit einem kindlich-fröhlichen lächeln drückte sie den Stempel...in die falsche Ecke der aufgeschlagenen Seite. Ich musste mir das grinsen wirklich stark verkneifen und verwies später durch einen Pfeil auf das richtige

Datum. Wer weiss schon wie streng in Santiago nachgeprüft wird....

Das letzte gebäude vor der landstrasse ist eine kleine und etwas neue rekapelle mit dem titel "Ecce Homo": Hier nahm ich mir ein paar Minuten Ruhe fürs Gebet und bekam von der sehr freundlichen Dane einen weiteren Stempel, ganz ungefragt.

Hier wurde mir der Stein bewusst, den ich heute ablegen würde....oben am Cruz de Ferro. Eine wahre Erleichterung.

Symbolik gefällt mir und so habe natürlich auch ich diese Last mitgebracht, die ich am Kreuz lassen möchte. Hier unten beginne ich mich mit dem Stein zu befassen, der Aufstieg wird dauern....

Auf Etappe 9
Auf Etappe 9

Nur noch 256 km !!! Das motiviert, hinauf zum Cruz de Ferro zu kämpfen.......

Mit 1500m erreiche ich heute das Dach des Camino. Da ich bei etwa 800hm starte, ist der Aufstieg verhältnismäßig mild, ich freue mich, nach der flachen Weite der Meseta wieder in die Berge zu können. Verrückt eigentlich, denn das bedeutet, dass jetzt die höchsten 2 Anstiege bevor stehen..... An diesem Meilenstein halte ich kurz inne: ich bin auf Kurs und fühle mich getragen. Nur noch wenige Kilometer und ich kann mich von meinem Stein trennen!

Der Aufstieg


Cruz De FERRO

Cruz de Ferro
Cruz de Ferro

Drohnen-Aufnahmen folgen noch.....


Montes de León
Montes de León

Wunderschöne Bergwelt
Wunderschöne Bergwelt

Ich verbringe tatsächlich 2 Stunden am Eisen-Kreuz, da ich hier einen sehr gemütlichen Ort unter Bäumen mit Tisch belegen kann, den Schatten genieße und beiläufig ein Pilgergespräch mitverfolge.  Zwei junge Männer beraten sich gegenseitig auf englisch zum Thema, worum es wirklich beim Pilgern geht.  Im Laufe des Gesprächs entsteht eine fast seelsorgerliche Nähe und der eine bittet den anderen für ihn eine Person anzurufen, was ihm sehr wichtig zu sein scheint. Das Telefonat findet statt, es gibt sprachliche Probleme, aber es tritt eine gewisse Erleichterung ein. All das findet so laut und offen statt, dass ich - ohne es zu wollen- teilweise mitverfolgen kann.  Später ziehen beide ihre Rucksäcke auf und laufen weiter. Die Stille, die dann eintritt ist der Moment, in dem ich meinen Stein ablege (siehe Video).

 

Die Abfahrt

Die Eindrücke hier oben sind fantastisch und doch beginnt nun schon die Abfahrt, über 1000m in die Tiefe: ein Arenalinfest, ein Flug fast, die längste und schönste Abfahrt des ganzen Caminos....... über 30 Minuten passiere ich zuerst die Höhenstraße mit sagenhaftem Weitblick, dann in Serpentinen die Talblicke, durchquere zwei kleine aber sehr urige Dörfchen und komme tiefer und tiefer, versuche nicht schneller als 50 km/H zu fahren.....die Luft ist mittlerweile so heiß, dass sich der Fahrtwind anfühlt wie ein Föhn, der mir mit Stufe 3 ins Gesicht bläst, aber meine Augen können sich kaum satt sehen, während mein Adrenalin das Tempo feiert.....höre ich mich da etwas laut schreien? Oder singen? Von beidem etwas, es ist ein Rausch.....

 

-DROHNEN-AUFNAHMEN KOMMEN -

 

und schließlich komme ich - leicht widerwillig- in Molinaseca an, wo an einer alten Brücke vor der herrlichen Kulisse der Kirche am Fluss gebadet wird. Ein sommerlicher Nachmittag mit Badespaß´...könnte mir auch gefallen, aber irgendwie habe ich schon mein Ziel vor Augen, und das heißt für heute Ponferrada und ist noch ein paar km entfernt.

Ich rolle langsam über die wirklich schöne Brücke, passiere den ansonsten kleinen Ort, hole mir an einer Albergue einen Stempel und breche auf nach Ponferrada....

Molinaseca
Molinaseca

Die verbleibende Strecke nach Ponferrada ist in der stehenden Hitze kein großes Vergnügen mehr: durch den wachsenden Verkehr komme ich in die Stadt und muss um zu meiner Pension zu kommen an den Rand. Hier habe ich mal mal wieder ein glückliches Händchen gehabt. Ich verzichte auf einen Spaziergang durchs Zentrum sondern versorge mich erstmal. Das Dusch-Highlight wartet und dann lege ich mich erstmal neben den Ventilator......


Dinner with Piano
Dinner with Piano

Mein Hostal in Ponferrada wird mir in Erinnerung bleiben! Ein wirklich sehr liebes Ehepaar betreibt hier ein kleines WG-artiges Hostal und im Speisesaal steht ein E-Piano.....

Als mir ein Abendessen im Saal angeboten wurde, sagte ich sofort zu, hatte ich doch wenig Lust nach Restaurants in diesem Viertel Ausschau zu halten, ....wir verabredeten 20 Uhr und ich war pünktlich.  Dann staunte ich nicht schlecht: die beiden fingen an, die frischen Zutaten auszupacken und vor meinen Augen zu kochen.  Ich fragte ob es noch andere gebe, aber ich war der einzige Gast beim Abendessen.  Da fragte ich, ob ich etwas Klavier spielen dürfe.....

Und so improvisierte ich eine gute halbe Stunde vor mich hin, genoss es mal wieder eine Klaviatur zu haben nach meiner Reiseukulele.....und alle 3 Minuten kam die Chefin um die Ecke, bedankte sich gestisch und strahlte übers ganze Gesicht....

Als das Essen soweit war, muste noch ein Foto gemacht werden: allerliebst! Danach setze der Chef sich zu mir und wir unterhielten uns: ein sehr gemütlicher Abend mit einem herrlichen Essen. Ich fühlte mich äußerst verwöhnt als ich später in mein Zimmer kam und meine Gedanken langsam auf den neuen Tag richtete. Hier herrscht eine ganz private Gastfreundschaft, eine Begegnung, die Freude macht. Du kannst das nie wissen wenn du gebucht hast, aber ich mache hier ständig diese Erfahrung. Ponferrada bleibt aber eine Perle meiner Unterkunftserfarungen auf dem Camino!  

Hier das Hostal

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