10.15h Bonjour! Der Regen ist durchgezogen, ich bin gesattelt und starte am Hotel direkt am Kanal in Richtung Strasbourg Centre.Heute sollte mir das Wetter noch einmal gewogen sein....

Ich gelange am Kanal entlang direkt ins Straßburger Europaviertel. Super Radwege-System und eine beeindruckende Wasserstraßen-Kreuzung. Hier kreuzen Kanäle mit dem Ill und sind an den Rhein angebunden. Straßburg macht auch vom Boot aus Freude....

Ich radele entlang des europäischen Menschenrechts-Hofes, zahlloser Botschaften durchs "deutsche" Kaiserreichs/Jugendstil-Viertel zum Place de la Republique, in dessen Mitte das besagte Gefallenen-Denkmal steht. Frühlingsblumen überall, und geschäftiges Treiben,- Strasbourg ist eine sympathische Capitale.

Was hab ich Strasbourg genossen! Flanieren und mit dem Radel umherstreunern....Die Zeit muss man sich nehmen. Neben dem Münster ist ein Lycée und als dort Pause war und die Schüler alle neben dem Münsterplatz sitzen und reden hab ich mal gelauscht. Schule ist Schule....;-)

Der Weg am Quartier des Tanneurs vorüber zum großen Wehr macht noch mal den großen Wert der Wasser-Führung deutlich. "Petite Venise" nennt man hier gar die Ecke, da alle anliegenden Häuser einen Wasserzugang/Einstieg haben. Dabei muss ich an meine Sommerradtour über die Alpen nach Venedig denken, "Grand Venise" sozusagen....und große Berge davor...Nun warten aber erst einmal die Vogesen.

Der wohl schönste Radweg von Strasbourg zur elsässischen Weinstraße, von mein heutiges Etappenziel Andlau liegt, ist der Bruche-Canal und genau den nehme ich jetzt....

Ich radele auf super ausgeschilderten Radwegen behutsam aus der Metropole ins Ländliche hinaus immer entlang des Bruche -Kanals, der treu neben seiner Namensgebetin, der Bruche, entlang führt. Genuss-Radeln pur: ich schnuppere den Frühling, beobachte die Tiere am Fluss, sehe Anglern zu und radele zwischen bravem Kanal und wilder Bruche an Dörfchen und Schleusen vorüber. Urlaub!

Auf der Seite "Alsace en velo" findet man folgende Info:

"Dieser Radweg, Teil der grenzüberschreitende Fahrradstrecke Offenburg-Molsheim, verlässt Straßburg, die an der ILL gelegene elsässische Metropole, auf einem in südlicher Richtung entlang dieses Flusses angelegten, idyllischen Fahrradweg. Anschließend führt die Strecke entlang des Bruche-Kanals, den Vauban in 1682 anlegen ließ, um den Transport des Sandsteins für den Bau der Straßburger Befestigungsanlagen zu gewährleisten. 1782 verkehrten auf dem Kanal, der bis 1938 genutzt wurde, bis zu 950 Schiffe. Vorbei an seinen elf ehemaligen Schleusen, erreichen wir nach 19,7 km Soultz-les-Bains, unweit von Molsheim, die alte Bischofsstadt und Wiege der Bugatti Sportwagen, und den Radweg der elsässichen Weinstraße."

Seit meinem Start in Wissembourg begleitet mich Flaps, ein Stoff-Fledermäuschen, das mir Marieke geschenkt hat. Flaps hängt an den Geäcktaschen und genießt den Flugwind. Ab und zu setze ich ihn in Szene....Acht geben !

Als ich 2019 an Avolsheim vorbeifuhr und staunend die Ulrichskapelle aus dem 10.Jh.betrat war ich auf Pilgertour zum Mont St.Odile. Heute stoße ich am Ende des Bruche-Kanals erneut auf diesen kleinen Ort und bin ganz verzaubert: Störche nisten auf den Dächern, im Flussbett baden die Gänse und um die altehrwürdigen Gemäuer herum rankt sich ein wunderschön verschlafenenes Dorf mit langer Geschichte. Ich liebe solche Orte im Elsass und weil ich dort stets anhalte, dauert die heutige Tour evtl. etwas länger...

Auf dem Weg nach Molsheim kommen die Erinnerungen an 2019: 4 Jahre, gefühlt ein ganzer Lebensabschnitt. Damals schloss ich mit der Reise ins Kloster auf dem Odilienberg symbolisch das "Trauerjahr" nach dem Tod meiner Mutter ab. Damals hatte ich meine Haare noch, bevor ich sie mir abrasieren ließ.... das Leben vor Corona ....

Jetzt 2023 - fast zeitgleich- eeneut hier entlang zu radeln tut irgendwie gut. Ich setze die Route fort, diesmal mit neuer Energie- und ein paar Corona-Kilos mehr ;-)

Molsheim hatte große Zeiten: die ansehnliche Jesuiten Kirche mit aufwändig und prunkvoll bebilderten Kapellen, einem pittoresken Altar und kunstvollen Fenstern aus dem Barock belegt das, auch das Jesuiten Kolleg in unmittelbarer Nachbarschaft. Soviel Jesuitenstil findet sich sonst nirgends im Elsass!

In Molsheim wurde Automobil-Geschichte geschrieben und zwar von Herrn Bugatti, der hier sein Rennsport-Automodell produzieren ließ. Das bescherte dem Ort überregionale Bedeutung bis weit ins 20.Jh.

Hier wurde ihm und seinem Auto-Design ein Denkmal gesetzt.

Ich bin nach dem Abstecher in die Haupstadt des Elsass, wieder an den Vogesen angekommen, auf der Weinstraße! Und als ich von Molsheim nach Obernai radele sehe ich ihn: den Mont St.Odile! 800m hoch und gekrönt vom Kloster, zu dem ich 2019 empor geradelt bin ....

Diesmal bleibe ich auf der Weinroute, hier der Eurovelo 5, und mache einen Stop in Obernai, einer der 10 Dekapolis-Städte der frühen Neuzeit. 

Auf dem Weg dahin komme ich an einem alten Klosterberg vorüber, der auch heute noch Wallfahrtsort ist, der "Bruderberg": ich fahre die paar Höhenmeter zur Kapelle und verweile hier oben ein wenig. Die Geschichte des Ortes reicht weit zurück, eine kleine Oase ist es geblieben!

Im vorüberfahren zieht mich der Sehnsuchtsort dann doch ein wenig. Ich war vor über einem Jahr das letzte Mal dort. Diesmal schaue ich nach oben und grüße den heiligen Berg des Elsass, auf dem mich auch die Heidenmauer sehr fasziniert hat. Bis zum nächsten Mal! Jetzt geht's weiter nach Barr auf der Weinroute und dann bis Andlau...