Vorberichte zur Radreise
Mittwoch, 21.07.
Heute war Packtag, es ist immer wieder schön, die vielen kleinen Dinge in den Taschen verschwinden zu sehen und schließlich alles kompakt zuzuschnüren. Dann klick ans Rad und fertig. Was habe ich wohl diesmal vergessen ;-)
Zum Glück kommt jetzt erstmal die "Testfahrt" durchs Rheintal , wo ich ein Fahrgefühl mit den Fronttaschen bekomme. Mein Zelt packe ich auch noch nicht, da ich auf dem Rheinradweg in DJH gebucht habe. Die Campingoptionen am Rhein verlocken mich nicht allzusehr. ...
Ich werde also in den kommenden Tagen einen extra-Blog-Artikel öffnen, da die Tour von hier nach Köln inhaltlich noch nicht zur Zeitreise gehört. Schöne Bilder und Berichte dürft ihr dennoch erwarten.
Donnerstag: Ingelheim- Koblenz
Freitag: Koblenz- Bonn
Samstag: Bonn- Köln
Sonntag: Münster- Salzbergen (Abzweig Familienurlaub)
So richtig los mit der abenteuerlichen Fahrt nach Flandern gehts dann am 29.Juli.....
Hier gibts weiter Vorberichte, Songs und Einblicke. ;) Dranbleiben!
MUSIK
Ein britisches Kriegslied von 1915 (Ypern), das mit dem Kriegseintritt der USA 1917/18 ein Superhit an der Front wurde.
"Keep your head down, Fritzie Boy".....
Info wikipedia
Mein Ghost- Radel.....
Den diesjährigen Werkstatt-Termin fürs Fahrrad hab ich eingespart und selbst ein wenig getuned. Neue Reifen waren nötig, Bremsen, Licht, das Übliche. Außerdem habe ich mir für die Fahrt einen Lowrider angeschafft und fahre ab sofort mit Vorderrad-Taschen: bin gespannt, wie das das Fahrverhalten beeinflusst. Ein paar Extras am Rad machen Spaß und da ich ich ja auch mit Zeltzeug fahre kommt ein Backpack dazu. Ich bin sozusagen Corona-spezifisch unabhängig....
MUSIK
Ein weiteres Lied, das mir im Kontext des Ersten Weltkrieges bekannt ist, ist das Chanson von Craonne . Da ich auch am "Chemin des Dames" vorbei kommen werde wo 1917 die verlustreiche Nivelle-Offensive stattfand und wo sich Craonne befindet, habe ich mich mit dem Lied ein wenig beschäftigt. Hier nur eine kleiner Wikipedia-Auszug für Eilige und darunter ein Video zum reinhören mit Übersetzung.
"
Das Lied und wurde von einem anonymen Autor getextet. Die Melodie entspricht dem französischen Schlager Bonsoir m'amour aus dem Jahr 1913.
Vermutlich entstand es als Chanson de Lorette (nach der mörderischen Lorettoschlacht von 1915). Das Lied wurde von französischen Truppen gesungen, die nach den verlustreichen Kämpfen der Schlacht an der Aisne im Jahr 1917 in über sechzig der hundert Divisionen der französischen Armee meuterten. Die Meuterei wurde vom damaligen General Henri Philippe Pétain mit aller Härte niedergeschlagen, wobei 500 Soldaten zum Tode verurteilt wurden, von denen aber nur 26 tatsächlich hingerichtet wurden.
Obwohl das Lied umgehend verboten wurde und für die Nennung des Autors die Summe von 1 Million Francs und die sofortige Entlassung aus der Armee versprochen wurde, konnte weder seine Verbreitung unterbunden noch der Autor ermittelt werden. Im Übrigen bestand das Verbot der öffentlichen Aufführung dieses Liedes in Frankreich bis 1974 fort, weil es angeblich die Ehre der Armee und der Veteranen verletzen würde. " Quelle: wikipedia
Karten studieren
ich habe einige Detailkarten ausgegraben wie zum Beispiel diese hier um nachzuvollziehen, wo genau die Front verlief. im Fall von Ypern kann man den Ort finden, an dem zum ersten Mal Gas von deutscher Seite eingesetzt wurde: zwischen Bixschote und Boesinge, dort mache ich also auf jeden Fall Halt, es gibt dort ein Mahnmal. Unweit von Boezinge und damals direkt auf der Frontlinie gelegen, befindet sich Langemarck. Ein Ort, der ein unsägliches militärisches Debakel gesehen hat, bei dem junge und gänzlich unerfahrene Rekruten sinnlos in den sicheren Tod geschickt wurden, nur um später für eine erlogene Heldengeschichte missbraucht zu werden: die Langemarck-Legende, an der sich noch die Nazis geweidet haben. Hier befindet sich heute noch der deutsche Soldatenfriedhof.
Unweit davon werde ich Quartier nehmen. So habe ich mit den alten Karten die neue Landschaft studiert und meine Route gelegt.
Eine konkrete Inspiration war mir bei der Fahrt übrigens das Buch von Stefan Esser "Zeitreise", der die komplette Westfront sogar bis in die Vogesen auf dem Rad erkundet hat. Da ich die Vogesenfront bereits eingehend zu Fuß erkundet habe , ebenso wie Verdun, fällt meine "Zeitreise" etwas kleiner aus und setzt eigene Schwerpunkte. Es war in jedem Fall sehr tröstlich, dass es noch andere Spinner wie mich gibt :-)
Am ersten Reisetag fahre ich von Oostende über Nieuwport nach Langemarck vor die Tore Yperns. Am zweiten Tag dann der Ypern Bogen und die zahlreichen Museen und Gedenkorte, bis ich weiter nach Fromelles reise und die Grenze nach Frankreich überquere.
Die zwei ersten Tage meiner Reise verbringe ich damit also in Flandern .
MUSIK
Ein Lied , das ich seit meiner Studienzeit aus Songbooks kenne, beschreibt eine Begegnung mit Soldatengräbern an der Somme aus der Sicht eines britischen Singersongwriters:
GREEN FIELDS OF FRANCE
Eric Bogle
Well, how do you do, young Willie McBride,
Do you mind if I sit here down by your graveside,
And rest for a while 'neath the warm summer sun,
I've been walking all day and I'm nearly done.
I see by your gravestone you were only nineteen,
When you joined the great fallen in nineteen sixteen,
I hope you died well and I hope you died clean,
Or young Willie McBride was it slow and obscene.
Chorus:
Did they beat the drum slowly, did they play the life lowly.
Did they sound the dead march as they lowered you down,
And did the band play the 'Last Post and chorus',
Did the pipes play the 'Flowers of the Forest'.
2. And did you leave a wife or a sweetheart behind,
In some faithful heart is your memory enshrined.
Although you died back in nineteen sixteen,
In that faithful heart are you forever nineteen.
Or are you a stranger without even a name,
Enclosed and forever behind the glass pane,
In an old photograph, torn and battered and stained
And faded to yellow in a brown leather frame.
Chorus:
3. The sun now it shines on the green fields of France
There's a warm summer breeze, it makes the red poppies dance.
And look how the sun shines from under the clouds
There's no gas, no barbed wire, no guns firing now.
But here in this graveyard it's still no-man's-land.
The countless white crosses stand mute in the sand,
To man's blind indifference to his fellow man,
To a whole generation that were butchered and damned.
Chorus:
4. Now young Willie McBride I can't help but wonder why
Do all those who lie here know why they died.
And did they believe when they answered the cause
Did they really believe that this war would end wars.
Well the sorrows, the suffering, the glory, the pain
The killing and dying was all done in vain.
For young Willie McBride it all happened again,
And again, and again, and again, and again.
Chorus:
ANREISE
Ich starte meinen Radurlaub übrigens hier am Rhein und fahre in drei Etappen von Mainz nach Köln.
Zwar werde ich keine weiteren Stopps in Luxembourg oder Belgien machen, aber mit dem Zug geht es dann erstmal nach Flandern.
107 Jahre nach Umsetzung des "Schlieffenplans", Anfang August 1914, begebe ich mich dann an das nördliche Frontende in Nieuwport (Belgien), wo die belgische Armee durch Öffnung des Yserkanals die deutsche Frontumfassung verhinderte und der Stellungskrieg begann. Hier wird meine ZEITREISE beginnen:
"In Flanders Fields"....
TRAINING
Bereits seit Wochen trainiere ich regelmäßig, um auf der Fahrt konstante Tageskilometer fahren zu können, es geht dabei natürlich keineswegs um Tempo, aber eine Grundkondition. Im Gegensatz zur Radrunde durchs Allgäu letzten Sommer habe ich weniger Steigungen und ups and downs vor mir. Ich gehe also davon aus, dass das so gut funktionieren wird.
Für die ZEITREISE habe ich 10 Tage veranschlagt , die ich von Oostende bis Reims fahren möchte.
Neben einem ausreichenden Bikepacking ist also auch ein gründlicher Fahrrad-Check erforderlich, den ich selbst vornehme. Bremsen, Schläuche, Reifen, Licht, Pedale, Schaltung,....
Da ich auch Zelt&Co mitnehmen werde, habe ich auch einen Lowrider montiert und fahre erstmals auch mit Fronttaschen.
Die Radreise wird auch in dieser Hinsicht eine sehr erlebnisreiche Erfahrung, ich radele durch das flache belgische Land, das Lenser Kohlebecken, die Auenlandschaft der Somme, die Wälder von Compiegne und das Aisne-Tal. Viel Natur und zahlreiche Städte. Immer in Bewegung! Vorfreude!
„Wer an Europa zweifelt, wer an Europa verzweifelt, der sollte Soldatenfriedhöfe besuchen!« Nirgendwo besser, nirgendwo eindringlicher, nirgendwo bewegender ist zu spüren, was das europäische Gegeneinander an Schlimmstem bewirken kann. Das Nicht-Zusammenleben-Wollen und das Nicht-Zusammenleben-Können haben im 20. Jahrhundert 80 Millionen Menschen das Leben gekostet. Jede Stunde des Zweiten Weltkrieges hat 1045 Tote gebracht.“ (J.C.Juncker)
Quelle: https://beruhmte-zitate.de/zitate/134937-jean-claude-juncker-wer-an-europa-zweifelt-wer-an-europa-verzweifelt/
In den vergangenen Jahren haben mich mehrere Exkursionen , mal im Kontext der Schule, mal rein privat , an Schauplätze des Ersten Weltkrieges geführt:
z.B. nach Verdun oder auf den Hartmannswillerkopf und den Lingekopf in den Vogesen.....
Es waren immer sehr intensive Erfahrungen, weitscheifende gedankliche Auseinandersetzung en mit unserer Geschichte, mit dem Krieg, dem Nationalismus, mit unserer heutigen Verpflichtung in Europa. Es waren aber auch immer archäologisch spannend auf Überreste dieser Katastrophe zu stoßen, die keine Spuren auf deutschem Biden hinterlassen hat, wohl aber eine große Narbe in der Heimat unserer französischen Nachbarn.
Und natürlich stand ich dabei oft sehr nachdenklich an Gräbern junger Menschen, die in einer mir fremden Zeit auf dem "Feld der Ehre" ihr Leben gelassen hatten.
Kurz: diese Erfahrungen waren stets Teil eines großen Puzzles, das ich weiter zusammen setze: es dreht sich um die "Erfahrung" von jüngerer Geschichte in meinem Bewusstsein: die Vergegenwärtigung der historischen Dimension unserer Welt auf eine mir gemäße Weise. Sicher findet das mancher ziemlich schräg und fragt sich , was ich da wohl so treibe: einfach gesagt; ich suche diese Ort auf, um "wirklich" dort zu sein und für einen Moment ihre historische Tiefe zu "begreifen". An der Urkatastrophe des Weltkrieges habe ich mich festgebissen, andere tun das in Italien mit Überresten der Römer, wieder andere mit Kathedralen des Mittelalters (ich auch!) oder Überresten der DDR. Es ist eine Frage der Dimension und des Erlebens.
Ich setze in diesem Sommer weitere Puzzlestücke zusammen und werde von Flandern südwärts entlang der "Narbe" nach Reims fahren, dabei die Front kleinschrittig nachvollziehen, was ich durch Studium von Karten, Büchern und Filmen bereits vorbereitet habe. An die Orte zu reisen ist nun der Höhepunkt dieses Projektes, das ich seit einigen Monaten vorbereite.